Erfahrungsbericht von Ellen
Mutter-Kind-Haus
Ich lernte meinem Sohn Liebe zu zeigen, die ich ja selbst so nie erlebt hatte
Ellen berichtet aus ihrem Leben
1976 wurde ich in Erfurt geboren. Bis zu meinem 12. Lebensjahr wuchs ich dort auch auf. Meine Eltern bekamen damals 1989 eine Ausreisegenehmigung aus der DDR. Ich zog damals nach Bayern rüber. Dort habe ich dann 6 Jahre gelebt. Als ich 14 Jahre alt war, ließen meine Eltern sich scheiden. Das war damals für mich ein hartes Erlebnis. Rein äußerlich hat man mir das nicht angemerkt, aber innerlich war ich total zerbrochen. Ich hatte keine Kindheit, wie man sie sich eigentlich in einer Familie vorstellt. Ich habe viel Negatives erleben müssen. Körperliche Gewalt war eine normale Umgangsform in unserer Familie. Ich trage bis heute noch unübersehbar die Narben an meiner Stirn, die durch die schweren Kopfverletzungen geblieben sind
Mit 17 fing ich dann an Drogen zu nehmen.
Von den Drogen habe ich mir erhofft, dass ich meine Ausbildung als Gärtnerin besser packe. Ich habe gehofft, dass die miesen Gefühle und Kindheitserinnerungen dann weg sind, und ich abends besser schlafen kann. Ich hatte Angst vor den Träumen nachts und habe mich dann total abgeschossen. Ich wollte einfach nur dicht sein, d.h. gar nichts mehr von der Welt mitbekommen. Ich habe alles an Drogen genommen, was ich bekommen konnte. Ich war natürlich in Beschaffungskriminalität verwickelt und lebte mit Bewährungsauflagen. Als eines Tages bei Gericht der Staatsanwalt die Liste meiner Straftaten aufzählte, hat es irgendwie bei mir Klick gemacht. Ich wusste, so kann es unmöglich weitergehen. Für mich gab es nur zwei Varianten: Gefängnis oder Tod. Dann bekam ich das Angebot Therapie machen zu können. Zunächst stand der klinische Entzug an. Der wesentliche Entzug fing bei mir erst nach der körperlichen Entgiftung an. Der psychische Entzug war für mich viel qualvoller, als ich es mir je vorgestellt hatte. Meinen schlimmsten Entzug hatte ich 1999 im Gefängnis. Ich hatte den Eindruck, es werden alle Innereien aus mir herausgerissen. Als ich damals in Therapie ging, war alles Neuland für mich. Ich wusste nicht, was eine Beziehung ist. Ich kannte nur lügen, stehlen, Menschen hintergehen usw. Meine alten Verhaltensweisen aus den 8 Jahren Heroinszene kamen jetzt zum Ausdruck. Aber trotz allem wurde ich hier vorbehaltlos angenommen. Trotz der Konsequenzen, die ich für mein Verhalten auf mich nehmen musste, haben die Menschen in der Gemeinschaft zu mir gehalten. Heute will ich jedem sagen, der noch drin hängt: Kämpfe, kämpfe, kämpfe. Und glaube, dass Gott aus nichts Wunder macht. Für mich war wichtig erstmals Vertrauen zu wagen: Gott Vertrauen zu schenken, auch wenn es noch so dunkel um mich herum ist und du denkst es geht nichts mehr. Damals habe ich angefangen zu beten und dadurch mich an Gott fest zu halten.
Ich wurde schwanger und das während meiner Therapie. Ich ging auf die Leitung der Einrichtung zu mit meiner Not. Einen kurzen Augenblick war der Gedanke an eine Abtreibung da. Ich hatte Angst und war verzweifelt. Gleichzeitig hatte ich auch Angst, dass ich eine Abtreibung nicht überleben würde.
Ich bekam das Mutter-Kind-Haus von Hoffnung für Dich e.V. in Falkenberg empfohlen. Schweren Herzens habe ich dann Thüringen verlassen. Sechs Wochen, nachdem ich im MKH angekommen war, kam Immanuel auf die Welt. Wieder packte mich die Angst. Wie ist das Mutter zu sein? Ich wollte nicht, dass mein Kind das erleben muss, was ich durchgemacht hatte. Gleichzeitig hatte ich eine unheimliche Freude in mir. Ich dachte früher immer Drogen wären das Größte. Jetzt als ich mein Kind in den Armen hatte, wusste ich, dass es noch Größeres gibt. Ich erlebte viel Fürsorge im Mutter-Kind-Haus bei allem, was ich lernen musste. Angefangen vom Stillen über Arztbesuche, die Begleitung in den alltagspraktischen Herausforderungen als Mutter, die Bedürfnisse des Kindes richtig einzuschätzen usw. . Später, als Immanuel älter wurde, lernte ich was wirklich wichtig ist für eine bindungsstarke Beziehung. Ich konnte, auch durch die Erfahrungen und Hilfe der Mitarbeiterinnen, meinem Sohn eine Liebe zeigen, die ich ja selbst so nie erlebt hatte.
Heute bin ich stolz auf meinen Sohn Immanuel. Sein Name bedeutet „Gott mit uns“. Und wir haben erlebt, dass es stimmt.